„Das kalte Herz“ im Schauspielhaus Stuttgart

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Ein Herz aus Stein? Dies ist kaum vorstellbar, doch in Armin Petras Märchen „Das kalte Herz“ im Schauspielhaus Stuttgart wird das Surreale zur Realität! Der Regisseur bedient sich dem Stoff von Wilhelm Hauff – ein romantisches Märchen direkt aus dem Schwarzwald.

„Das kalte Herz“ im Schauspielhaus Stuttgart: Spiel mir das Lied vom Tod als Eröffnungswerk

Ich schaue mir mit einer Freundin das Stück an – um festzustellen, dass Petras Inszenierung alles andere als eine Märchenstunde ist. Der Beginn hat es bereits in sich: Wir erleben das düstere Mundharmonika-Motiv aus „Spiel mir das Lied vom Tod“, das fast wie eine Zäsur auf das erwartungsvolle Publikum wirkt.

Wir sehen viel an diesem Abend, da Armin Petras eine Menge Gegensätzliches zusammenbringt: Schauspielstudierende, die als „kostümierte Waldmenschen“ verkleidet sind, eine Volkstanzgruppe des schwedischen Albvereins und natürlich das Ensemble. Mir wird bewusst, dass der Regisseur hier zu einer kollektiven (Wieder)-Begegnung mit Wilhelm Hauff einlädt. Die Bandbreite der Inszenierung ist beachtlich.

Berit Jentzsch als Glasmaennlein in "Das kalte Herz" im Schauspielhaus Stuttgart.

Berit Jentzsch als Glasmaennlein in „Das kalte Herz“ im Schauspielhaus Stuttgart.

Wir erleben blutige Schockeffekte ebenso wie gut einstudierte Volkstänze. Johann Jürgens verkörpert den rebellischen Kohlepeter, der selbst um wuchtige „Arschloch“-Ausdrücke nicht verlegen ist, ansonsten aber eher den etwas groben Kindsmann präsentiert. Wolfgang Michalek gibt den dämonischen Fiesling in Schwarz ab.

Mit dem schwarzen Mantel und der Sonnenbrille wirkt er nüchtern und rational. Er tritt als lustvoller und böser Zyniker auf, seine Kunden verkaufen ihre Herzen aus Gier nach Leben, Ruhm und Geld. Wer seine Kunden sind, ist schnell geklärt. Er zeigt ins Publikum. Der allgemeinen Heiterkeit schließe ich mich gerne an.

Caroline Junghanns als Liesbeth in „Das kalte Herz“ im Schauspielhaus Stuttgart.

Auch sonst ist der gewiefte Akteur der Katalysator, das Herz der Inszenierung: Während der Saal tanz, improvisiert und intrigiert er. „Du wirst mir nicht entgehen“, ruft er dem Kohlemunk nach, dessen persönliche Höllenfahrt erst noch bevorsteht. Zum spielenden Ensemble gehört auch Caroline Junghanns, welche die lebenslustige Lisbeth mimt, die später zum Lustobjekt verfällt.

Ihre Singstimme ist beachtlich, ich bekomme Gänsehaut, als sie den Song „Dein Herz, an meinem sollt’s erwärmen“ trällert. Zu den Höhepunkten des Abends zählt ohne Zweifel der Auftritt der Volkstanzgruppe Frommern im Staatswams. Die Männer hüpfen um Schwarzwaldmädchen mit roten Bäckchen herum, während die Musik von Schalmei und Dudelsack getragen wird.

„Das kalte Herz“ im Stuttgarter Schauspielhaus – Ende im knisternden Halbdunkel

Das Ende des Stückes kommt klug, ironisch und in einer alten Hörspielfassung daher, der wir im Halbdunkeln lauschen dürfen. Auf der Bühne kommt es dagegen zum düsteren Ende, bei dem ich mich frage, ob es wirklich so düster erscheint, denn so ganz ohne Herz kann die Welt kaum noch leerer werden.

Insgesamt hat mich das Stück an manchen Stellen überrascht, die Botschaft wird jedoch von Unterhaltung statt Subtilität getragen. Die Schauspieler bescherten mir viele wunderbare Momente, während das Ende zum Nachdenken anregt.

 

Johann Juergens als Kohlenmunk und Wolfgang Michalek als Hollaendermichel in "Das kalte Herz" im Schauspielhaus Stuttgart.

Johann Juergens als Kohlenmunk und Wolfgang Michalek als Hollaendermichel in „Das kalte Herz“ im Schauspielhaus Stuttgart.

Armin Petras sucht die Erlösung nicht in der Realität, sondern einzig und allein in der Vorstellungskraft. Doch Armin Petras hat uns ja nie eine Märchenstunde versprochen – er bringt stattdessen Volkstheater auf die Bühne: Düster, wuchtig, bilderstark, experimentierfreudig und mit einer Menge Tanzeinlagen. Nicht zu vergessen die Kapitalismuskritik, die jedoch einen Dämpfer bekommt: Geld allein macht nicht glücklich – Armut aber auch nicht.


Bildnachweis: schauspiel-stuttgart.de © JU_Ostkreuz

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