Zeit der Kannibalen: In der Vaganten Bühne Berlins

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Kannibalen und Menschen im Anzug haben nicht viel gemeinsam. Oder doch? Wir sind zu Gast bei „Zeit für Kannibalen“ in der Vaganten Bühne in Berlin.

Zeit der Kannibalen: Ein Wolf im Schafspelz?

Nur ein bekanntes Sprichwort, oder stekt da vielleicht mehr dahinter? Zumindest sagt man dies Managern und Anzug-Trägern gerne nach. Die Unternehmen wachsen und wachsen und mit ihnen steigen auch die Anforderungen an die Mitarbeiter.

Mein Freund Bill und ich hätten nicht gedacht, dass für dieses sensible Thema einmal im Theater Platz ist. Doch der Regisseur Johannes Naber wagt sich an die Thematik und möchte den Kannibalen maßgeschneiderte Anzüge verpassen.

Auf der Bank in "Zeit der Kannibalen": Björn Bonn, Senita Huskic und Johann Fohl.

Auf der Bank in „Zeit der Kannibalen“: Björn Bonn, Senita Huskic und Johann Fohl.

„Ich frage mich ja immer noch, wie Naber das Thema eigentlich angehen möchte“, stelle ich fest, als wir unsere Plätze einnehmen. „Nun“, erwidert Bill süffisant, „ich denke, wir werden eine Menge Spaß haben, schließlich soll das Stück unsere moderne Optimierungsgesellschaft bitterböse aufs Korn nehmen.“

Zeit der Kannibalen: Komplizierter „Dreier“ auf der Vaganten Bühne Berlin

Die Inszenierung beginnt und auf den ersten Blick erscheint uns alles wie eine gewöhnliche Geschäftskonstellation: Öllers, gespielt von Johann Fohl und Niederländer, verkörpert von Björn Bonn, agieren als gut eingespieltes Team. Sie sind rund um den Globus unterwegs, um neue Kunden zu gewinnen. Genauer gesagt: Die Entwicklungsländer noch mehr auszubeuten – was die Kunden natürlich nicht wissen.

Während Öllers ganz protzig mit einem Dauergrinsen agiert und dafür einsteht, dass der Kapitalismus die Welt für sich gewinnen solle, so ist Niederländer eher ein Symbol für Selbstoptimierung. „Niemand ist potentiell gut genug, ich auch nicht!“, ist sein Motto, während er alle paar Minuten beginnt, Liegestütze auf seinem Reisekoffer zu machen. Öllers will wissen, was sein Rekord gewesen ist. 34,4 Sekunden, erklärt Niederländer – um sich fortan darüber aufzuregen, dass Mittelklasse-Hotels bitte überall gleich aussehen sollten.

Was hat der Golfschläger für eine Beudeutung ind "Zeit der Kannibalen" mit Björn Bonn und Johann Fohl.

Was hat der Golfschläger für eine Beudeutung ind „Zeit der Kannibalen“ mit Björn Bonn und Johann Fohl.

„Der Typ ist ja so anstrengend. Stell dir mal vor, du hättest so einen in der Nachbarschaft. Da hast du echt verloren“, bemerkt Bill – ich muss ein lautes Lachen unterdrücken, um die anderen Zuschauer nicht zu belästigen. „So richtige Business-Menschen eben“, witzle ich.

So richtig an Fahrt nimmt das Stück bereits nach einigen Minuten auf, als die Company – der Arbeitgeber der Unternehmensberater – den Kollegen eine neue Mitarbeiterin zur Seite stellt, da ein ehemaliger Kollege Selbstmord begangen hat. Dann beginnt ein interessantes Spiel aus Intrigen und Machtgeringe. Denn Hannah von Peinen, welche die neue Kollegin März darstellt, hat auf den ersten Blick nichts mit den beiden Männern gemeinsam. Sie ist weltoffen, zurückhaltend und verfügt über weibliche Intuition – dennoch kann sie ebenso skrupellos und kalt gegenüber Hotelangestellten oder Bediensteten.

Hier bekommt Senita Huskic ihre Fingernägel - die skurilerweise in Gummihandschuhen stecken - von Hannah von Peinen lackiert.

Hier bekommt Senita Huskic ihre Fingernägel – die skurilerweise in Gummihandschuhen stecken – von Hannah von Peinen lackiert.

Zeit der Kannibalen: Viele Gags, doch wenig Tiefgang

Obwohl das Sujet geradezu nach Kapitalismuskritik schreit, so vermisse ich diese jedoch an einigen Stellen. Ehe ich mich versehe, ist das Stück zu Ende – und wir haben uns viel Ironie und Sarkasmus angesehen, jedoch wenig tiefgründiges serviert bekommen.

„Wie hat dir die Inszenierung gefallen?“, will Bill nun wissen. „Nun“, setze ich an, „mir hat ein wenig der Tiefgang gefehlt. Die Hauptdarsteller haben mich aber dennoch mit ihrem Spiel überzeugt. Sie haben allesamt viele Facetten des Schauspiels offenbart und am Ende das Werk sogar in Richtung Thriller inszeniert.“ „Ja, das hat mir ebenfalls echt gut gefallen“, bestätigt Bill.

Den Rest des Weges verbringen wir schweigend – vielleicht denkt auch Bill darüber nach, ob und wann die Zeit der kultivierten Kannibalen unter uns angebrochen ist.


Bildnachweis: www.vaganten.de, Alle Fotos: © Manuel Graubner
Titelfoto: auf der Bühne zu sehen: Johann Fohl

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